Vorsichtig sind die Anleger in das neue Börsenjahr gestartet. Hohe Inflationszahlen in den USA, ein stärker als erwarteter Liquiditätsentzug durch Halbierung der Anleihenkäufe durch die US-Notenbank und nicht zuletzt Pandemieschlagzeilen bremsen die Kauflust. Doch obwohl das Risiko von weiteren Variantenausbrüchen besteht, ist die Welt mittlerweile besser gewappnet, sei es durch wirksame und anpassungsfähige Impfstoffe, die Ausweitung der Akzeptanz und Zulassung von Impfstoffen für Kinder, Booster-Impfungen oder die wachsende Palette von Therapeutika.
Ausschlaggebend für die weitere Marktentwicklung werden hingegen Inflation, Zinsen, Unternehmensgewinne und die allgemeine Stimmungslage sein. Insgesamt wird 2022 u.E. für die globale Erholung, das Ende der Pandemie und eine Rückkehr zur Normalität stehen, die vor Covid-19 bestand.
Die US-Inflationsrate des letzten Quartals ist mit 7% auf ein Niveau gestiegen, das seit 1982 (!) nicht mehr erreicht wurde. Die Nachfrage hat sich schneller erholt als das Angebot, was zu höheren Rohstoffpreisen, fehlenden Arbeitskräften und Engpässen bei vielen Gütern geführt hat. Auch sind die Inflationserwartungen über den Erwartungen. Vor diesem Hintergrund sind die Renditeaussichten für festverzinsliche Wertpapiere weiter unattraktiv.
Allerdings ist der Liquiditätsentzug aufgrund der von der amerikanischen Notenbank angekündigte Halbierung der monatlichen Anleihenkäufe auf 60 Mrd. US$ eine größere Herausforderung als die Inflation und die Märkte müssen sich darauf erst noch einstellen. Langfristig ist diese Rückkehr zur Normalität aber als stabilisierend anzusehen, da steigende Kapitalkosten den Märkten Übertreibungen entziehen und Liquidität tendenziell nicht mehr in unrentable Projekte geleitet werden wird.
Für ausgewählte Aktien sehen wir die steigenden Inflationszahlen tendenziell positiv, da sie bei den dominierenden Firmen der jeweiligen Branche stabile oder sogar steigende Gewinnmargen bedeuten. Ein Anstieg der Gewinndynamik im gleichen Ausmaß hängt u.a. davon ab, inwiefern die eigenen Kosten steigen bzw. weitergereicht werden können. Insgesamt bieten Aktien weiterhin ein besseres Renditepotenzial als festverzinsliche Wertpapiere, aber angesichts der fortgeschrittenen Hausse und der teilweise sehr hohen Bewertungen, wie sie z.B. am US-amerikanischen Large-Cap-Aktienmarkt bestehen, empfehlen wir eine sehr harte Selektion. Nur starke Unternehmen mit stabilen Unternehmensgewinnen, einem hohem Cash Flow, geringer Verschuldung und einem klaren Wachstumsmodell rechtfertigen noch höhere Kurse. In einem Umfeld mit immer noch niedrigen Zinssätzen, Inflation und Wachstum der Unternehmensgewinne könnte der Aktienmarkt in den nächsten Jahren weitere Gewinne erzielen, allerdings sollten sich Anleger eher auf Jahresrenditen im mittleren einstelligen Bereich einstellen.
Gute Wirtschaftsaussichten, geringe Lagerbestände und ein vergleichsweise geringes Angebot, was auf eine starke Nachfrage trifft deuten auch auf ein zweites Jahr in Folge mit positiven zweistelligen Rohstoffrenditen hin, was sich auch positiv auf zyklische Währungen wie den kanadischen Dollar auswirken sollte.
Angesichts der Herausforderungen, die die neuen Rahmenbedingungen schaffen, bleibt es für langfristig orientierte Anleger wichtig und entscheidend, auch in unruhigen Zeiten an einer klaren Investmentstrategie festzuhalten, das Portfolio den neuen Realitäten anzupassen („Rebalancing“), in allen Anlageklassen ausreichend diversifiziert zu sein und Bargeld an der Seitenlinie zu parken, um bei größeren Korrekturen günstiger „Qualität“ nachkaufen zu können.